Das Unbehagen

Stichwort Corona-Krise

Da ist dieses Unbehagen. So ein mulmiges Gefühl. Vielleicht Angst, vielleicht schwächer.

Irgendwas stimmt doch da nicht mit dieser Corona-Krise.

Es geht jetzt hier nicht um die verschiedenen Dinge, von denen man denken kann, dass sie nicht stimmen. Es geht um dieses Gefühl, dass den Ausgangspunkt bildet. Das Unbehagen, oder das Gefühl, dass es Falsch ist.

Das ist ein reales Gefühl. Und von dort aus kommt man dann vom Verstand darauf, was alles nicht simmt und landet je nach Socialmedia-Vorliebe vielleicht bei Attila, Ken, Eva oder anderen.

Natürlich ist es richtig, auf Gefühle zu hören und natürlich ist es richtig, Dinge zu hinterfragen. Natürlich darf man Dinge auch ansprechen. Alles gut soweit.

Das Gefühl

Das Ausgangs-Gefühl – das sagt „hier stimmt etwas nicht, ich habe Angst, ich fühle mich bedroht„. Und mal ganz ehrlich: Eine völlig legitime Reaktion in einer internationalen Krise, in der sich das Leben schlagartig verändert. Man nennt es Kontrollverlust. Kontrollverlust ist unsere persönliche Hölle. Wir hassen es. Wir halten es gar nicht gut aus. Das ist immer so. Es gibt viele (fast immer drastische) Situationen, in denen wir Kontrollverlust erleben können und damit kann alle Sicherheit alle Stabilität zusammenbrechen. All dies ist ein persönliches Erleben einer Krise. Es kann auch zum Beispiel bei einem Unfall, einer plötzlichen Scheidung, einer ungewollten Schwangerschaft, plötzlicher Krankheit, Arbeitslosigkeit etc passieren. Es ist nie schön.

Ein Lösungsweg?

Und ein Weg, wie wir – nahezu unbewusst – darauf reagieren können, ist, anderen die Schuld zu geben. Eine Erklärung zu finden. Das ist so, weil. Das beruhigt uns. Es gibt uns einen Rahmen zurück. Denn du kennst vielleicht das sehr schmerzhafte Gefühl einer „Warum?“ Frage in einer Krise- ein Warum ich. Und dies ist die schnelle Lösung. Warum? Weil … es eine Verschwörung ist. Tschakka. Geklärt. Nun ist auch klar, was zu tun ist. Und wer Schuld ist. Gleich gehts einem etwas besser. Und mit Wut kann man besser umgehen als mit Angst und Kontrollverlust.

Nur ist es einfach nur eine innere Reaktion. Und keine, die wirklich hilft. Es ist ein Weg, der nie Heilung bringt und nicht zu Resilienz führt. Denn letzendlich bleibt man ja beim Kontrollverlust – man erklärt ihn nur: die sind schuld. Vielleicht kennst du so jemanden: Eine Person, die sich ewig darüber definiert, was ihr mal für ein Unrecht bei der Scheidung getan wurde. Ewig etwas nachhängt oder immer anderen die Schuld gibt. Das ist das Extrembeispiel. Solche Personen gibt es und das passiert genau, wenn man diesem Impuls zu lange folgt. Alle anderen sind Schuld – das ist das, was eine Opferhaltung ausmacht und wir alle wissen, dass sich das nicht gut anfühlt und auch nicht gesund ist.

Klar, kann man in einer akuten Krise schon mal jammern und schreien und alle verfluchen, oder sich scheiße fühlen. Aber meistens rollt man dann irgendwann die Ärmel hoch und findet sich damit ab, dass es so ist, wie es ist und schaut, was man verbessern kann. Wo man ansetzen kann. Wo kann ich etwas tun. Das ist etwas anders als gegen die Realtität zu kämpfen, in dem ich fühle „das ist alles falsch so“ und „die sind Schuld“.

Das Unbehagen ist eine ganz normale Reaktion. Es bedeutet nicht, dass uns etwas verschwiegen wird. Dies ist schon die Ego-„du bist Schuld“-Interpretation des Gefühls.

Es bedeutet, dass wir Unbehagen empfinden. Sicherheit verloren haben. Angst vor einer unbekannten Gefahr oder Veränderung haben.

Das Monster-unter-dem-Bett-Phänomen

Es hilft, das Gefühl selbst anzuschauen. Was bereitet mir Unbehagen. Was macht mir Angst. Wie fühle ich mich genau. Was daran macht mir Angst.

Und Achtung: Laaange nicht alles, was mir Angst macht, ist real. Das allermeiste ist es nicht. Es ist ein Monster-unter-demBett Phänomen. Es ist ein in Bilder fassen meiner eigenen Ängste. Deswegen ist die erste Antwort von „ich habe Angst vor..“ nicht die richtige. Es gibt jetzt Menschen, die haben Angst vor Masken. Masken sind aber trotzdem nicht gefährlich.

Wenn ich als Schwangere Angst um mein Kind habe, heißt es trotzdem nicht, dass mein Kind in Gefahr ist.

Die Ängste sind intern.

Klar, wenn der Tiger vor mir steht, habe ich Angst. Intern, wegen dem externen Tiger. Aber dann stehe ich nicht da und sage „der Tiger ist Schuld“ sondern ich renne. In unserem heutigem Leben gibt es kaum mehr Tiger-Momente. Es ist Momente akuter direkter körperlicher Gefahr (Gewalt, Unfall). 99% der Ängste sind heute in unserem Kopf. Wenn es nichts ist, was dir gerade gegenübersteht und dich körperlich bedroht, dann ist es in deinem Kopf – dann ist es eine Möglichkeit, eine Szenario, eine Interpretation – nicht die Wirklichkeit. Ähnlich wie ein Hineinsteigern in Unfallszenarien wenn jemand zu spät nach Hause kommt. Natürlich kann man trotzdem prüfen, was man tun kann, damit so ein Szenario eben nicht Wirklichkeit wird. Aber wir sollten es nicht mit der Wahrheit verwechseln.

So ist das mit Gefühlen. Wir haben Angst. Und Unsicherheit. Und sie sind in uns drinnen. Und wir als TrägerInnen des Gefühls sind verwantwortlich für unseren Umgang damit. Es ist unser ganz eigenes Gefühl. Eine Angst ist keine Wahrheit. Sie ist eine Angst.

Angst vor Zerstörung meines Selbstbildes – Veränderungsangst

Aber manchmal macht es noch mehr Angst ein Gefühl anzuschauen. Das ist besonders dann der Fall, wenn man das noch nie gemacht hat. Und manchmal blähen sich Gefühle auf und wir haben das Gefühl, dass alles zusammbricht und nichts von uns übrig bleibt, wenn wir auf dieses Gefühl schauen (deswegen schnell umdrehen und den Schuldigen finden). Das ist die Angst des Egos Veränderung. Das Ego sträubt sich total, dass ich etwas anders machen könnte oder gar etwas vielleicht nicht so schlau gemacht habe. Wenn mein Selbstbild darauf beruht, dass ich alles im Griff habe, unerschütterlich, mutig etc, dann trifft es mich besonders hart, wenn da dieses Unbehagen, diese Angst ist.

Für Werte einstehen aber nicht aus Kontrollverlust-Flucht heraus

Und ja – du kannst trotzdem rausfinden, was dir nicht gefällt. Was dir wichtig ist. Welche Werte du hast. Und wie du dafür einstehen möchtest. Von einem sicherem Ausgangspunkt aus. Du bist in der Lage, Gefühle auszuhalten und von ihnen zu lernen, sie zu verarbeiten. Du musst dich nicht in Unsinn flüchten, um sie zu umgehen.

Werte sind etwas, für das ich positiv brenne. Die in mir drin sind. Und ich kann rational ohne fehlinterpretierte oder verleugnete Emotionen herausfinden, wie ich wem gegenüber dafür am effektivsten eintreten kann.

Ich muss niemanden angreifen, um Werte zu verteidigen. Ich kann sie leben und dafür einstehen. Und ohne aus einem unbewusst gesteuertem Verleugnungstrieb heraus zu handeln aktiv mein Leben leben und meine politische Meinung bilden.

Dies ist ein öffentlicher Blogartikel. Kommentare darunter sind öffentlich lesbar.

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